Sachbericht
Wir, die Teilnehmer des Projektes „Die Integrations-Formel“, Maria Mazourova, Teresa Ceran, Jeno Hama, Toni Susnjara, Tim Kpognon, Margarita Chatsatrian und neuerdings auch Polina Tyenyayeva haben uns lange überlegt, wie wir den jungen Immigranten, helfen könnten, sich schnell in Deutschland zu integrieren und sich sowie in der Heimat zu fühlen, ohne dabei die eigene Kultur zu vernachlässigen. Wie wir dies realisiert haben, wird im folgenden Text erzählt.
Unser Projekt begann mit der Bildung und Findung von Gruppen, mit je zwei Personen pro Gruppe. Diese bestanden jeweils aus einem/r Paten/in, welchem/r die Aufgabe der Betreuung zukam und dem „Patenkind“, Schüler/innen der Koop I-Klasse der Eduard-Spranger-Schule in Reutlingen. Das Besondere an diesen Zweierteams ist der Migrationshintergrund, den nahezu alle Teilnehmer aufwiesen. Diese Tatsache ist bezüglich der Situation der Schüler von großer Bedeutung gewesen.
Diese befanden sich zu jenem Zeitpunkt erst seit einem halben, höchsten zwei Jahren in Deutschland. Sie sahen sich vor die große Herausforderung gestellt, einen Platz in der neuen Gesellschaft zu finden. Die Paten, die genau diese Umstände bereits aus ihren eigenen Erfahrungen und Migrationsgeschichten kannten, hatten in einem hohen Maße Zugang zu den Jugendlichen. Es fiel ihnen leicht sich emotional in ihre Situation hinein zu versetzen, da sie einst selbst mit diesen Problemen zu kämpfen hatten. Vor diesem Hintergrund sollten sie die Schüler/innen bei ihrem Integrationsprozess unterstützend begleiten.
Im Rahmen einer gemeinsamen Kennenlernrunde, die dazu diente erste Kontakte zu schließen, haben sich die Tandems aus Betreuer und Patenkind gebildet. Zu unserer großen Freude konnten sich am Anfang, so sechs Paare finden. Heute sind wir mittlerweile auf acht Paare angestiegen.
Zu den Hauptaufgaben der Betreuer/innen gehörte die Beratung der Jugendlichen bei Alltagsfragen und aufkommenden Schwierigkeiten. Dabei hatten die Paten eher eine unterstützende bzw. begleitende Funktion. Eine weitere Aufgabe war es die Schüler/innen in ihren Freizeitaktivitäten zu motivieren, sodass diese vereinfacht Zugang zu möglichen Vereinen und Ähnlichem bekamen. Viele der Teilnehmer/innen tun sich schwer sich in ihrer neuen Heimat reibungslos einzuleben. Sie kennen sich noch nicht genug aus und haben wenige Informationen über mögliche Angebote in der Stadt und Umgebung. Die Paten/innen übernahmen in gewisser Weise die Aufgabe eines persönlichen Ansprechpartners für Fragen aller Art, so auch bezüglich der Freizeitgestaltung.
Ein weiterer Aspekt dieser Betreuung hatte die berufliche Orientierung und Begleitung auf diesem Weg zum Schwerpunkt. Hierbei stellte sich heraus, dass das deutsche Ausbildungssystem oft ein Problem für die Schüler/innen darstellt. Sie haben Schwierigkeiten sich in diesem System zurechtzufinden und haben oft unrealistische Vorstellung bezüglich ihrer beruflichen Wünsche, da sie es aus ihren Heimatländern oftmals nicht gewohnt sind, dass die Zugänge zu einigen Berufen streng nach Bildungsabschluss entschieden werden. Es ist sehr wichtig die Jugendlichen möglichst früh über ihre Möglichkeiten und Chancen fundiert zu informieren.
Zu Beginn des Projekts fanden einige Kennenlernen-Treffs statt, damit die Tandemgruppen genügend Raum hatten, um sich kennenzulernen und eine gewisse Vertrauensbasis aufzubauen. Dabei wurden vor allem die Erfahrungen auf beiden Seiten ausgetauscht. Der weitere Verlauf der Zweiergruppen verlief sehr individuell. Bei manchen kam es auch zu „Startschwierigkeiten“.
Die ersten Kontaktaufnahmen sollten die Gruppen selbstständig und in Eigenverantwortung in die Wege leiten. Die Betreuer/innen haben den Schülern/innen angeboten sich bei Fragen aller Art zu melden und an sie zu wenden. Sie sind davon ausgegangen, dass die Schüler/innen erwachsen genug sind, ihre Bedürfnisse und Probleme frei zu äußern. Die Patenkinder hingegen, haben zum einen sich nicht wirklich getraut dann auch den Kontakt aufzunehmen, zum anderen haben sie von ihren Betreuern/innen mehr Initiative erwartet.
Diese ersten Schwierigkeiten, richtigen Kontakt aufzubauen, konnten wir bei zwei der Teams beobachten, was sich mit der Zeit dann behoben hatte.
Die gemeinsame Grundlage für eine gelungene Zusammenarbeitet, bildeten die Interessen, also die Hobbies der Teilnehmer. So konnte der Altersunterschied innerhalb der Gruppen von teilweisen sechs Jahren, überwunden werden und stellte keinerlei Problem dar, da auf gemeinsamen Interessen aufgebaut werden konnte.
Die allgemeine Organisation der Kommunikation zwischen den Paten/innen und ihren Schützlingen verlief dank der heutigen technischen Verfügungen, sehr gut. Alle Teilnehmer nutzen die Plattform „Facebook“. Dort wurde von den Beteiligten eine Gruppe eingerichtet, die für die Planung der Treffs und als Chat genutzt wurde. Auch Bilder von gemeinsamen Aktivitäten wurden veröffentlicht.
Diese gemeinsamen Aktivitäten wurden gemeinsam geplant und durchgeführt. Eine der Patin (Gymnasiastin), die einst eine Tanzschule besuchte, konnte den Jugendlichen aufgrund ihrer Erfahrungen regelmäßig einen Tanzkurs anbieten. Da das Interesse am Tanzen besonders bei den Mädchen auf Anklang stieß, wurde dieses Angebot für alle Tandems geöffnet. Es finden sogar regelmäßige Tanz-Auftritte statt. Zur Freude der männlichen Teilnehmer, konnte durch einen Paten, der Kick-Boxer ist, regelmäßige Sportangebote wahrgenommen werde. Es wurden Fahrgemeinschaften organisiert und an Wettkämpfen teilgenommen.
Sowohl für die Jungen, als auch für die Mädchen fand ein regelmäßiger Kochkurs statt. Dieser diente nicht primär dazu den Teilnehmern das Kochen beizubringen, sondern hatte das Ziel einer kulturellen Öffnung. Jeder sollte Lebensmittel aus seiner Heimat mitbringen bzw., Zutaten, die in der heimischen Küche oft verwendet werden. So hatte man eine Mischung aus vielen verschiedenen Zutaten und konnte daraus gemeinsam etwas Neues „schaffen“. Neben diesen regelmäßigen Aktivitäten wurden auch einige Ausflüge unternommen. Besondere Freude hatten die Teilnehmer bei Bootfahren auf dem Neckar in Tübingen, sowie einer Wanderung zum Bad Uracher Wasserfall.
Die Jugendlichen waren sehr motiviert und interessiert daran die neue Umgebung kennenzulernen.
Einer unserer Betreuer hat seine Aufgabe sehr ernst genommen; zunächst vermittelte er sein Patenkind erfolgreich an einen Fußballverein und übernahm danach die Teilnahmegebühren durch private Finanzierung. Besonders auffällig war die intensive Betreuung in einem anderen Tandem, die weit über die gesetzten Ziele hinausging. Der zu betreuende Schüler ist nach einem Unfall sehr krank geworden. Der zuständige Pate hat seinen Schützling während dieses Prozesses regelmäßig im Krankenhaus besucht, in zu seiner Operation begleitet und danach auch bei den Rehamaßnahmen intensiv betreut und unterstützt.
Einige der Paten/innen empfanden die gemeinsame Arbeit als zu intensiv. Die Konfrontation mit den ganzen Problemen ihrer Patenkinder hat sie teilweise überfordert, da die Palette an Schwierigkeiten zu groß war. Wichtige Themenfelder in diesem Zusammenhang waren: Berufswahl, Probleme in der Familie, Heimatsverlust und der damit zusammenhängende Freundesverlust. Die Empfindungen bezüglich der Intensität der gemeinsamen Arbeit hingen stark von den Persönlichkeiten der Teilnehmer ab. Einige Patenkinder besuchten ihre Betreuer an ihrem am Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz. Eine der Patin besitzt ein einiges Nagelstudio und konnte ihrer Schülerin eine Schulung anbieten.
Einige der Betreuer haben ihren Patenkindern geholfen im Rahmen der Schulpraktika einen geeigneten Platz zu finden.
Im März und Juli wurden zwei erlebnispädagogische Freizeiten durchgeführt. Die Aktivitäten und Übernachtungen der Freizeit im März wurde über Zuschüsse des Integrationsrates Reutlingen, die Verpflegung über die Aktion Mensch finanziert. Die Finanzierung der Freizeit im Juli wurde komplett über die Aktion Mensch finanziert. Am17.07 und 18.07.13 fand das Erlebnis-Pädagogischen Seminar im Seminarhaus Haid statt. Ziele des Seminars waren: Selbsterfahrung, eigene Grenze kennenlernen, schwierige Situationen frei von Konflikten und Gewalt bewältigen zu lernen, neue Freizeitarten erfahren.
An diesen zwei Tagen verbrachten die Teilnehmer viel Zeit in der Natur im Wald mit Orientierungsübungen, Vertrauensübungen, Sport und Spaß.
Als erste Aufgabe für die Jugendlichen galt es, den Weg mit Hilfe der Landkarte, von der Bushaltestelle bis zur Waldhütte zu finden. Die Gruppe sollte dabei das Arbeiten im Team erlernen: gemeinsames Denken, Überlegen wie man den Weg am schnellsten findet. Diese Aufgabe meisterte die Gruppe, wenn auch mit großen Schwierigkeiten. Sie hatte sich im Wald verlaufen und sollte den ersten Konflikt ohne Streit und Stress lösen. Es fand ein gemeinsames Gespräch statt bei dem, gemeinsam die Karte gelesen wurde, um den Standort zu lokalisieren und sich im Wald zu orientieren.
Paten und Patenkinder waren in dieser Situation gleich gestellt. Jede/r musste seine/ihre Wissen und Erfahrungen einbringen. Als die Gruppe die Hütte gefunden hatte, haben sich alle Teilnehmer/innen über ihren den ersten gemeinsamen Erfolg sehr gefreut.
Das nächste Ziel war der Niederseilgarten. Dort wurden vorher erlernte Kenntnisse in Praxis umgesetzt. Alle Teilnehmer/Innen haben sich in Astronauten verwandelt. Da gab es keine Paten, Lehrer und Kinder mehr, sondern nur ein Raumfahrt-Team mit einem Behinderten an Board, dass mit Erfolg auf dem Mond landen sollte. Die etwa zwanzig verschiedenen Übungen können nur bewältigt werden, wenn man trotzt der Angst Schritte wagte. Der Einsatz von Mut und Vertrauen war auch erforderlich. Die Kinder waren sehr stolz auf ihre Paten, die solche schwierige Aufgaben meistern konnten. Auf den Zusammenhalt in der Gruppe kam es bei verschiedenen Teamkooperationsaufgaben an. Durch Erlebnispädagogik konnten gerade Migrantenkinder mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten bekommen und neuen Mut gewinnen, um die Herausforderungen des Alltags zu bewältigen. Es ist auch nicht zu unterschätzen, dass gerade die positiven Erlebnisse in Begegnung mit Menschen und Natur in der neuen Heimat eine sehr wichtige Voraussetzung für eine gelungene Integration darstellen.
Insgesamt betrachtet ist das Patenprojekt bisher, mit großem Erfolg durchgeführt worden. Gegen Ende des Projektes wurden unter manchen Projektteilnehmer/innen Freundschaften geschlossen. Sie sind keine Paten und Patenkinder mehr. Sie gehören jetzt zu den näheren Freunden dazu. Die Schüler/innen der Projektgruppe haben nun für sich Ansprechpartner/innen gefunden, die immer bereit sind sie zu unterstützen, Rat zu geben und ihnen in schwierigen Situationen zu helfen. Einer unserer Ziele haben wir somit zufriedenstellend erreicht. Das Andere wäre, dass unser Projekt noch kein Ende gefunden hat, denn die Paten übernehmen neue Kinder und es kommen neue Paten dazu, die ebenfalls von dem Projekt gehört haben sowie engagiert sind, mitzuwirken. Ein Ende unseres Projektes ist somit nicht in Sicht. Die Paten (Maria Mazourova, Teresa Ceran, Jeno Hama, Toni Susnjara, Tim Kpognon, Margarita Chatsatrian, neuerdings auch Polina Tyenyayeva) treffen sich regelmäßig mit der Klassenlehrerin der Koop I, Michaela Menichetti sowie mit um Feedback zu geben, Pläne zu besprechen, Fragen zu klären etc. Die Ergebnisse unserer Treffen werden zur Dokumentation in Form eines Protokolls schriftlich festgehalten. Zusätzlich zu erwähnen, ist dass wir seit Anfang des Jahres 2013, versucht haben, einen kleinen Film namens „Flott und Polyklott“ mit den, mittlerweile Jugendlichen, zu drehen, um auf uns aufmerksam zu machen. Dies haben wir mit ein wenig Hilfe von außen auch geschafft und im Juli 2013 vorgestellt. Unser Ziel ist es, so viele Jugendliche als auch Erwachsene, auf dieses Problem der Integration anzusprechen und zum Handeln anzuspornen.